- Projekte / Presse
„Florian Leibetseder (* 1960) steigert die stillen Szenen und Momentaufnahmen des Alltags oftmals ins Absurde, indem er skurrile Kombinationen von Figuren in ihrem Umfeld vorstellt. In der Serie „Die Stadt der Toten“ entwickelt er die Geschichte einer Frau, deren Beziehung zu dem sie umgebenden Friedhof zu einem Sinnbild menschlicher Vergänglichkeit wird.“
Mag. Alexandra Matzner
Von Sprachen, Strichen und Träumen
Bemerkungen zur Bildkomposition bei Florian Leibetseder
Teekannen und Bilder wollen uns allen etwas sagen, besonders aber denen, die ihre Sprache verstehen. Das gilt Weltweit. Angesprochen sind alle, die sich angesprochen fühlen. Aber besonders klare Worte können wir in der Gegend um die Wiener S-Bahn-Station Treisengasse vernehmen. Ist es Zufall oder Schicksal? Florian Leibetseder lebt und arbeitet dort inmitten eines sehr aktiven Diskussionskreises, einem Diskursknotenpunkt des bildnerischen Ausdrucks, in dem deutsche Teekannen mit tschechischen Stimmen von der märchenhaftigkeit des Lebens erzählen.
Da geht es zu wie auf einem Friedhof bei Tag. Jeder Baum, Strauch und Stein berichtet von der Zwei-,- Drei- und Vielsinnigkeiten der Weltentfaltung, von dem, was am Tage geschehen wird und von dem, was in den Nächten geschah. Äußerlich wirkt das alles eher ruhig. Autos stehen – mehr oder weniger gut geparkt – vorn, hinten in der Mitte, Passanten gehen ihrer Wege, das Treppenhaus ist leer und die Bauern lieben ihre Kartoffeln. Aber sind sie schon wieder: das Subversive, das suspekt Verborgene und die zwinkernden Gedanken sind auch wieder dabei. Versteht ein Auto nichts von menschliche Qualitäten? Steht im Treppenhaus niemand hinter uns? Sind Bauern keine Künstler?
Jeder Farbstrich versichert uns seine Unschuld, aber wir wissen es besser. Farbstriche gehören zu Gesamtbildern, in das sie sich nicht nur ihrer Lage entsprechend, mehr oder weniger begeistert integrieren, sondern sie sind ein formender Teil des Bildes, die kleinste Einheit einer Bildsprache, die uns über die Unklarheit der Gegebenheiten in Teekannen, Gehirnzellen und Bettdecken informiert, dabei aber die Welt außerhalb des Bildes – wenn wir überhaupt an die Existenz einer solchen Welt glauben – nicht unberührt lässt. Die Konturen der Farbstriche greifen tief hinein in unseren fiktiv fantastischen Alltag und hinterlassen dort Spuren - aber siehe, selbst das ist ein Teil des wirklichen Lebens. Oder täuschen wir uns doch? Greift da in Wirklichkeit gar nichts? Bleibt ein Pigment ein Pigment – Teekannensprache hin, Teekannensprache her? Kann das Bild uns allenfalls dann etwas sagen, wenn wir ihm freundlicher Weise unsere Ohren zuwenden?
Oder haben Bilder doch eigene Träume? Kehren sie nicht in unsere Träume zurück, in einer ganz eigenständigen Weise, sprechend? Sind die sprechenden Bilder nicht Teil unseres Alltags? Verschwinden die Bilder wenn wir ihnen Aufmerksamkeit schenken? Im Dickicht unserer eigenen Verstrickungen in Gesellschaft, Philosophie, Wissenschaft und Aberglaube (tatsächlich geht es uns da wie dem Farbstrich, wir verhalten uns unserer Lage entsprechend, tragen dies oder das zu den größeren und kleineren Zusammenhängen bei und sind jedenfalls eingebunden in etwas, das ohne uns nicht wäre was es ist) wird unsere Unsicherheit zur Gewissheit: Die Bilder erzählen Geschichten von und Teekannen, Geschichten, Geschichten, Geschichten, nicht immer hören wir sie gerne, aber ist es nicht schon erfreulich, wenn sich überhaupt ein Bild das Gespräch mit uns sucht? Wie dem denn auch sei: Lausche beim Schauen, es schadet nicht.
Christian Denker, Melk, 13.03.10